Zweites Werkstattgespräch muslimischer Bildungsträger: „Politische Bildung in konfessioneller Trägerschaft“
Am 6. Februar 2021 fand das zweite Werkstattgespräch muslimisch-zivilgesellschaftlicher Bildungsträger statt. Im Rahmen der Online-Veranstaltung wurde erörtert, wie sich politische Bildung in christlicher Trägerschaft gestaltet. Hierzu wurden Expert*innen aus katholischen und evangelischen Einrichtungen der politischen Bildung eingeladen, die ihre Perspektiven und Erfahrungen mit den muslimischen Teilnehmenden teilten.
Zu Beginn referierte Dr. Siegfried Grillmeyer, Direktor der Katholischen Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus, über Selbstverständnis und Auftrag christlicher Akademien: Politische Bildung in christlicher Verantwortung stehe im Zeichen einer Dialoghaltung sowie einer offenen Gesellschaft und richte sich entschieden gegen Totalitarismus und menschenverachtende Ideologien. Als Orte der Wertebildung und Demokratieförderung trügen christliche Akademien dazu bei, dass Kirche als Ermöglichungsraum für gesellschaftlichen Diskurs sowie als gastfreundlicher Ort – gerade auch im Sinne einer Gastfreundschaft für andere Meinungen – erfahrbar werde. Neben der Moderation kontroverser Haltungen und der Zusammenführung verschiedener gesellschaftlicher Akteur*innen muteten sie sich im Zweifel auch das eine oder andere zu, um etwa neue Zielgruppen zu erreichen. Ihr zentrales Anliegen sei es, aus einer christlichen Wertehaltung heraus zeitgemäße Antworten auf Fragen des friedlichen und verantwortungsvollen Zusammenlebens in der Gesellschaft zu finden.
Daran anschließend hielt Pfr. Friedrich Stiller, Leiter des Referats für Gesellschaftliche Verantwortung und Islambeauftragter im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, einen Vortrag unter dem Titel „Demokratie mitgestalten – Politische Bildung aus evangelischer Sicht“: Politische Bildung stelle nach Ansicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine der Dimensionen religiöser Bildung dar, da christlicher Glaube seinem Selbstverständnis nach auf Gemeinschaft, Öffentlichkeit und (Um-)Welt ziele. Zugleich sei die EKD der Auffassung, dass politische Bildung (sowie Politik im Allgemeinen) religiöse Bildung brauche, weil die Kirche neben einem besonderen Menschenbild auch eine generelle Haltung zu Fragen habe, die uns in der Gesellschaft bewegten. Die Positionierungen der EKD zu gesellschaftsrelevanten Themen können die Diskussionsgrundlagen sowie den Rahmen für Debatten bilden. Sie dienen dazu, evangelischen Christ*innen eine Orientierung bzw. einen Gesprächsimpuls zu geben. Auch evangelische Träger der politischen Bildung betrachten sich als Orte einer demokratischen Gesprächskultur sowie eines respektvollen Meinungsaustauschs. Beides sei Voraussetzung dafür, um in einer lebendigen Demokratie verschiedene gesellschaftliche Positionen aushandeln, Interessen zusammenführen und Kompromisse zu finden.
Am Nachmittag fanden zwei parallele Workshops statt. In Gruppe „Politik und Bekenntnis? – Berührungspunkte und Trennlinien religiöser und politischer Bildungsarbeit“ stellten Selcen Güzel und Stefan Zinsmeister von der Eugen-Biser-Stiftung (EBS) das Projekt „Berufsschule: demokratisch, interreligiös, teamfähig“ vor, welches Demokratiebildung und interreligiöses Lernen verbindet bzw. interreligiöse Bildung in die politische Bildung integriert. In Gruppe „Möglichkeiten und Grenzen politischer Bildung aus katholischem Standpunkt – konfessionell und kontrovers?“ präsentierten Ann-Kristin Beinlich und David Brixius von der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKSB) das Projekt „Religionssensible politische Bildungsarbeit“. Dabei ging es u.a. um die Frage, wie das Kontroversitätsgebot (Beutelsbacher Konsens) in der non-formalen Bildung angemessen berücksichtigt werden kann.
In der Reflexionsrunde am Ende sprachen die Teilnehmenden über ihre Eindrücke und erörterten die Frage, inwiefern sich die beispielhafte Arbeit christlicher Träger auf den Kontext muslimischer politischer Bildungsarbeit übertragen lasse. Dabei wurde die Stillers Aussage vom Vormittag, dass Kirche bei all jenen Themen mitrede, zu denen sie eine Meinung habe bzw. Perspektiven anbieten könne, auch als Chance für muslimische Bildungsakteure gesehen: Dieses Verständnis ermögliche es jedem Verein selbst zu entscheiden, in welche Debatten er sich einbringen möchte.
Die vielfältigen Einblicke in die Selbstverständnisse, Ziele und Methoden christlicher Träger der politischen Bildung gaben den muslimischen Teilnehmenden wichtige Anregungen für die eigene Arbeit. Bei der Veranstaltung waren Vertreter*innen der folgenden Vereine anwesend: Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland e. V. (AmF), Alhambra Gesellschaft e. V., ANqA – Verein für transkulturelle Bildung e. V., Deutsche Islam Akademie e. V. (DIA), FödeM Bildungsinitiative, Islamische Akademie NRW (IAN), Mosaik Deutschland e. V. und Selam Mainfranken e. V.